Ständig über einen Sinn vom Kleinsten bis zum Größten nachzudenken ist wie auch im Sommer durchweg kalte Füße haben: es ist unangenehm auf mehr als nur mittlerer Stufe, man kann – sofern man es nur könnte! – auch sehr gut ohne dieses das Zentralgestirn ignorierende Fußfrösteln leben. Ein Studium der Bücher, fremden wie auch des eigenen Lebens, selbst der verzweifelte Versuch eine Winzigkeit von Wahrheit im Satz eines aufgeschlitzten zeitgemäßen Kaffeepads zu finden; nichts von alledem hat mich auch nur einen noch so kleinen Teil an Endgültigem erkennen lassen. Nur Belanglosigkeiten. Von Nord nach Süd. Von Ost nach West. Von Unten nach oben. Und auch umgekehrt. Und Selbiges auch in der Zeit. Der Gipfel der Weisheit scheint, sofern man menschliche Denkansätze überhaupt als Gipfel von Irgendwas bezeichnen darf, zu sein, sich für Auserwählt zu halten. Als Subjekt. Als Volk. Oder auch als Dorf. Als Land. Als Staat. Schlussendlich also irgendwie Irgendjemandem überlegen, was aber, bei grob geschätzten 100 bis 300 Milliarden Sternen allein in unserer Galaxie, und bei einer ebenso geschätzten Gesamtzahl an Galaxien von einer ganzen Billion im gesamten Universum, von der Natur als solches als schwachbrüstiger Chauvinismus ad absurdum geführt wird. Eine Unendlichkeit in Raum und Zeit entzieht jedem Ich und jedem Volk und jeder Rasse eine wie immer auch vermeintlich intellektuell unterfütterte Vormachtstellung. Egal wie groß der eigene Schwanz auch sein mag: es gibt immer einen größeren. So wie die Unendlichkeit auch keine Mitte kennt. Natürlich kann man Fahne schwenken. Aber der Kosmos interessiert sich nicht dafür. Arthur Schopenhauer tätigte in Bezug auf diese Problematik folgende Aussage: Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein: hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen. Ich selbst würde erbärmlich ersetzen wollen durch unwissend, denn meine Unwissenheit ist zwar erbärmlich, doch habe ich versucht zu lernen, mit ihr zu leben und wohl auch mit ihr sterben zu müssen, sofern mich nicht Erleuchtung wie der sprichwörtliche Blitz möglichst zeitnah beim Scheißen trifft. Wer aber mit seiner menschlichen Unzulänglichkeit nicht klar kommt, mit seinem unverrückbaren Status quo also auf Kriegsfuß steht, der versucht dieses (vielleicht) mit Patriotismus, Drogenkonsum oder Insekten sammeln zu kaschieren. Leere mit weiterer Leere zu füllen halte ich aber für reine Zeitverschwendung. Der Versuch, Wasser aus einem voll laufenden U-Boot mit Händen zu schöpfen, wobei die Luke offen steht, und das U-Boot eh schon lange auf dem Meeresboden liegt, macht mehr Sinn. Auch weit mehr Sinn, als das Schreiben dieser Zeilen. Die Evolution wirkt nicht zielgerichtet. Somit sind auch diese Gedanken nichts weiter als ein Globuli für ein übers Maß in Frage gestelltes Bewusstsein. Warum sollte man sich auch Gedanken machen wie Folgende, wenn zwischen Geburt und Tod doch nichts weiter als tendenziell wahrgenommene Blödheit liegt?
Es gibt Sätze, die wurden aus Mündern scheinbar direkt in die Ewigkeit gemeißelt. Armstrongs Worte beim Bespringen des Mondes. Walther Ulbrichs Satz von der Mauer, die nicht willentlich gebaut werden sollte. Und die Verlautbarung von dem, was Martin Luther King unter anderem mal so hatte. Dagegen ist der Satz, welchen ich letztens meiner Gattin kompromisslos ins Gehör legte nur Einer von Vielen. Und der wohl auf ewig ruhmlose Satz lautete: Schatz, seitdem Du ins Auto eingestiegen bist, stinkt es hier drin. Was jetzt aber nicht als kommunikativer Erstschlag, sondern vielmehr als eine verbale Festmachung am zweifelsohne Realen einzuordnen war. Und so pflichtete meine Gattin mir auch bei, was die an die Nasenscheidewände – immerhin zusammen vier Stück! – auftreffende Moleküle betraf, nur in Bezug auf deren noch unsichere Quelle wollte sie sich partout nicht verbindlich festlegen lassen. So fuhren wir mit herab gelassenen Fenstern und nach oben gezogenen Augenbrauen zum freitäglich rituell zu besuchenden Einkaufsmarkt, um auf dessen Parkplatz nach frischer Luft schnappend unseren Toyota Aygo ins Prekäre zu verstoßen. Was aber nicht wirklich zielführend wirkte. Denn es war wie so oft im Leben: man schleppt halt vieles mit. Und in diesem speziellen Fall so Sachen, die aus an mehr schlecht als recht an zwischenmenschliche Normen heran geführten Hunden zuweilen auf dafür nicht vorgesehenen öffentlichen Räumen hinten raus fallen. Ja, die Gattin hatte Scheiße am Schuh. Vom Geruch her grob geschätzt ein gutes Kilo. Sowas macht keinen schmalen Fuß. Von guter Stimmung gar nicht erst zu reden. Wobei man hier von einem gefühlten Kilogramm ausgehen muss, weil Unangenehmes stets schwerer vom menschlichen Individuum wahrgenommen wird, als der Seele Genehmes. Erdbeeren sind ewig zu klein. Tutti-Frutti-Eisbecher immer zu schnell leer. Jeder Fick im nachhinein zu anstrengend. Und Hundescheiße immer und immer und immer zu viel. Und wenn also selbst nur etwas über 50 Gramm davon an der Schuhsohle meiner Gattin klebten, so waren es doch eindeutig mindestens 51 Gramm zu viel. Und es begann ein mit den Füßen scharren und kratzen im Schnee am Wegesrand, auf dass die hündischen Verdauungsreste sich von der Sohle lösen mögen und die Zweisamkeit einer wenn auch noch so kurzen Autofahrt nimmermehr durch Alle-Welt-Sätze stranguliert wird. Doch, so fragte ich mich, sind 51 Gramm Hundescheiße nicht nur eine weitere Belanglosigkeit, wenn man nur einmal bedenkt, dass allein unser Heimatplanet 5,977 Trilliarden Tonnen wiegt? Und ich notierte, während die Gattin wie ein Derwisch im Schnee wütete, auf die Rückseite des Einkaufszettels:
Die Augen zu und ab ins Gestern.
Mach’s gut, Geräucherte-Makrelen-Duft!
Morgen. Heute. Alles halbe Schwestern.
Mein Parfum heißt Abgestandne Luft.
Nur Anker werfen in den alten Häfen.
Neue Häuser riechen schrecklich neu.
Wo Durst und Wasser niemals aufeinander träfen
Verfault der Weizen mit der Spreu.
Da! Gegenüber wohnt die Sonne.
Der Zaun hat meine Jugend aufgespießt.
Makrelenreste stinken aus der Tonne.
Bis endlich Schlaf mein Fenster schließt.
Warum ich diese Zeilen schrieb, kann ich mir, kann ich Niemandem erklären. So wie auch: mehr Raketen gegen den Krieg. Mehr Plastikmüll gegen den Hunger. Mehr Bildungslücken für die Lösung unserer Probleme. Und endlich keine kalten Füße mehr. Zwei Schritte vor. Und drei zurück. Den Vorwärtsgang eingelegt. Und mit beiden Füßen auf der Bremse stehen. Wollt ihr die totale Verblödung? Ich sag jetzt mal: Ja!
03/2018 ©kolumnistenschwein.de